- Italien: Zwischen Cavour und Garibaldi
- Italien: Zwischen Cavour und GaribaldiAnfang September 1849 waren die letzten Funken der italienischen Revolution ausgetreten worden. Die geflüchteten oder vertriebenen Fürsten kehrten unter dem Schutz österreichischer und französischer Truppen zurück. Beseitigt waren, mit nur einer Ausnahme, die kurz zuvor gegebenen oder errungenen Verfassungen. Regiert wurde nun fast überall unter Ausnahmerecht, wobei es am allerschlimmsten im Königreich beider Sizilien zuging. Aber auch anderswo sollte die wiederhergestellte Ordnung vornehmlich durch polizeiliche Repression und Militärgewalt gesichert werden, so im habsburgischen Königreich Lombardo-Venetien, wo Joseph Wenzel Graf Radetzky den bis 1854 aufrechterhaltenen Ausnahmezustand rigoros exekutierte. Standrechtliche Erschießungen, Todesurteile und elende Haft trafen jene Vorkämpfer Italiens, welche aus diesem Italien der Gegenrevolution nicht hatten entkommen können. Zehntausende verloren ihre Heimat — Mailand oder Venedig, Rom oder Palermo: Umso entschiedener verbreiteten gerade diese Entwurzelten die Idee der größeren Heimat aller Italiener, die Idee Italiens. Dreißigtausend Flüchtlinge und Vertriebene fanden in den Fünfzigerjahren Asyl im Königreich Sardinien-Piemont. Allerdings war König Viktor Emanuel II. vorerst nicht bereit, republikanische Nationaldemokraten und gar Anhänger Giuseppe Mazzinis aufzunehmen. Sofern diese ihre Ideale nicht preisgeben wollten, blieb ihnen zunächst nur die Wahl zwischen einem Exil in Großbritannien und einer Zuflucht in Nord- oder Südamerika.Der Gedanke der nationalen Bewegung lebte jedoch fort, tatsächlich großflächiger als vor der gescheiterten Revolution. Hunderttausenden war »Italien« in der Presse, in Versammlungen und Kundgebungen nahe gebracht worden: Danach war die Idee nationaler Freiheit und Einheit kein Elitenphänomen mehr, sondern Grund und Zweck fundamentaler Massenpolitisierung.Genährt wurden die Gluten von den Erinnerungen an die heroischen Augenblicke der Revolution — an die »fünf Tage« des Mailänder Aufstands gegen die österreichische Herrschaft und Besatzung, an die lange Verteidigung Venedigs und der Römischen Republik, an den »langen Marsch« Giuseppe Garibaldis mit viertausend Freiwilligen von Rom an die Adriaküste im Sommer 1849. Solche Ausfüllungen des abstrakten Begriffs Nation zwischen Geschichte und Legende trugen wesentlich zum Werden eines nationalen Erfahrungsraums bei. Die außerhalb Piemonts lastende Wirklichkeit der Unterdrückung, obendrein in den meisten Staaten die blanke Misswirtschaft, die wirtschaftliche Stagnation und kulturelle Rückständigkeit schürten diese nationalen Gluten erst recht. Solche Realitäten bedeuteten eine zweite, die gegensätzlichen Lager der Nationalbewegung im Negativen vereinende Erfahrungsebene, und das umso nachhaltiger, weil die fremde Macht Österreich als Ver- ursacherin sämtlicher Missstände und jedweder Unterdrückung gesehen wurde. Folglich mussten auch alle noch so gemäßigten innerstaatlichen Reformbestrebungen antiösterreichisch und somit national werden.Mazzini und CavourUnter solchen Umständen gelang es Mazzini, dem Propheten eines republikanischen Nationalstaats und Gründer der Gesellschaft Giovine Italia 1831, schon bald, an seine alten nationalrevolutionären Konzepte anzuknüpfen. Aus dem Exil organisierte er neue Verschwörungen im Geiste seiner Losung, dass Italien sich selbst erschaffen könne und müsse, nämlich in der Aktion der Volksmassen, welche durch einen lokal erfolgreichen Aufstand ausgelöst werden würde. Einige dieser Vorbereitungen wurden im Keim erstickt, zwei Aufstände wurden rasch unterdrückt, gefolgt von neuerlichen Verfolgungswellen gegen wirkliche und vermeintliche Sympathisanten.Das Scheitern MazzinisDie Leidenschaft und die Leidensfähigkeit Mazzinis, sein Leben für die eine große Idee Italien begeisterten zwar weiterhin viele Landsleute. Aber es distanzierten sich nun doch immer mehr demokratische Republikaner von seinem Aktionismus nicht nur in Anbetracht aktueller Fehlschläge, sondern wegen der 1848/49 gewonnenen Einsicht, dass Mazzinis Revolutionskonzept einen Irrweg schon deshalb bedeutete, weil es letztlich am übermächtigen Faktor Österreich scheitern müsse. Sie wollten nunmehr alle anderen Prinzipien zurückstellen, bis die nationale Einheit und Unabhängigkeit errungen seien. Dazu brauchte die Nationalbewegung unabdingbar die Führung des militärmächtigsten italienischen Staats, eben des Königreichs Sardinien-Piemont, das schon während der Revolution die eigenen machtpolitischen Zwecke mit der nationalen Idee verbunden hatte. 1857 fanden sich republikanische Demokraten, unter ihnen Daniele Manin und Giuseppe Garibaldi, mit Liberalen in einem Nationalverein, der Società Nazionale Italiana, zusammen, um einerseits überall Anhänger der piemontesischen Ausrichtung der Nationalbewegung zu sammeln, andererseits aber auch Sardinien-Piemont auf seinen italienischen Kurs festzulegen. Offiziell hatte die Turiner Regierung mit der Società Nazionale nichts zu tun, im Verborgenen aber empfing der Ministerpräsident Camillo Benso Graf Cavour deren Führer, und Giuseppe La Farina wurde sein Werkzeug zur Lenkung des Nationalvereins.Cavour: liberale Reformen und DiplomatieDass die in den Machtverhältnissen Italiens begründeten propiemontesischen Tendenzen der Nationalbewegung realisiert und in »moralische Eroberungen« umgesetzt werden konnten, war jedoch ganz wesentlich Cavour zu danken. Er hatte etliche Jahre im westeuropäischen Ausland verbracht, dort die Prinzipien des Wirtschaftsliberalismus und eines liberal-parlamentarischen Regierungssystems kennen gelernt. 1847 übernahm er die Redaktion der Zeitung »Il Risorgimento« (Die Wiedererstehung), die die These von der italienischen Berufung Sardinien-Piemonts verfocht. 1852 wurde er von König Viktor Emanuel II. als Repräsentant einer Parlamentsmehrheit gemäßigter und linker Liberaler zum Ministerpräsidenten berufen, was dieser lange abgelehnt hatte. An die Spitze trug ihn sein Engagement nicht allein für den Erhalt des Statuto Albertino, der von Karl Albert 1848 gewährten und nach der Revolution von Konservativen und auch vom neuen König infrage gestellten Konstitution, sondern auch für die Grundlegung einer liberalen und parlamentarischen Verfassungswirklichkeit.Für die Durchsetzung eines de facto parlamentarischen Regierungssystems in der konstitutionellen Monarchie wurden Cavours Berufung selbst und dann seine lange mehrheitsgestützte Ministerpräsidentschaft entscheidend. Seine Politik gestaltete das Königreich Viktor Emanuels zum Modell zukünftiger italienischer Nationalstaatlichkeit um — durch die Parlamentarisierung des politischen Systems, durch die genauso in den Traditionen des klassischen Liberalismus liegende Beschränkung politischer Beteiligung im aktiven und passiven Wahlrecht auf eine recht schmale soziale Elite. Aber auch die Auflösung des Ineinanders von Staat und Kirche und die Beschneidung gesellschaftlicher Macht des Klerus trugen zu dieser Umgestaltung bei, ebenso die staatlichen Initiativen zur Modernisierung des Verkehrs- und Bankenwesens, der Landwirtschaft, zur Entwicklung moderner Industrie und der Übergang zum Freihandel.Die nationale Idee war wohl eine Triebkraft in Cavours Politik, aber keinesfalls in jenem absoluten Sinne Mazzinis oder Garibaldis. Seine nationale Politik zielte dahin, die Gefährdungen und Hindernisse bürgerlichen Fortschritts zu beseitigen, wie er sie zum einen in den stagnierenden und repressiven Zuständen Italiens erkannte, zum anderen in der Kraft der nationalrevolutionären Bewegung fürchtete, welche aus Cavours Sichtweise gerade ein Resultat jener Zustände war. Diesem Ansatz entsprach, dass Cavour zunächst keineswegs an eine den ganzen geographischen Begriff Italiens umfassende Nationalstaatsgründung dachte, sondern nur jenen Raum anvisierte, in dem die Voraussetzungen für eine Übertragung des piemontesischen Modells gegeben waren, also Nord- und Mittelitalien. Dazu war Österreich aus Italien zu verdrängen, was zugleich der piemontesischen Machtpolitik und den Aversionen des Königs entsprach. Den Kampf gegen Österreich, das war eine der Lehren, die Cavour aus dem Jahr 1848/49 gezogen hatte, durfte Piemont allein nicht aufnehmen: Es brauchte den Rückhalt einer europäischen Großmacht.Der Krieg in OberitalienDie große Chance eröffnete sich mit dem Krimkrieg: Im Frühjahr 1855 stellte sich Piemont an die Seite der Westmächte und nahm im Kreis der großen europäischen Mächte 1856 an den Friedensverhandlungen in Paris teil. Zu diesem Prestigegewinn gelang es Cavour, das Thema Italien in die Kongressdiskussion über friedensgefährdende europäische Unruheherde einzubringen, Piemont als Sprachrohr der Italiener und Österreich als Verursacher der italienischen Spannungen darzustellen. Wichtiger war die Auflockerung der internationalen Mächteverhältnisse durch die Niederlage der konservativen Vormacht Russland, durch die beide Seiten verprellende Unsicherheit der Wiener Außenpolitik während des Kriegs und durch die im Krieg gesteigerten Hegemonialambitionen Napoleons III. Wenn der Kaiser der Franzosen in der Situation Italiens und im Gegensatz zwischen Piemont und Österreich einen Ansatzpunkt zur Machtsteigerung Frankreichs sah, so erkannte Cavour in Napoleon den möglichen Verbündeten zur Durchsetzung Piemonts in Italien. Es entwickelte sich ein mehrjähriges geheimes Verhandlungsspiel. Währenddessen wurde die internationale Öffentlichkeit mit sorgfältig inszenierten Aufführungen beschäftigt — etwa mit dem rührseligen Abschiedsbrief des blutig gescheiterten und zum Tode verurteilten Napoleon-Attentäters Felice Orsini, der den Kaiser bat, Italiens Befreiung und Einigung zu ermöglichen; mit der Hochzeit einer Tochter Viktor Emanuels und eines Vetters des Kaisers; mit der lauten Klage in Viktor Emanuels Neujahrsansprache 1859 über den »Schmerzensschrei« Italiens. Entscheidend wurden die Absprachen zwischen Napoleon und Cavour in Plombières Ende Juli 1858, die im Dezember in einem Vertrag fixiert wurden. Dieser sah die Vertreibung der Österreicher aus Italien durch einen gemeinsamen Angriff unter dem Oberbefehl Napoleons vor, die Vergrößerung Piemonts um die Lombardei, Venetien und Teile Mittelitaliens, die Errichtung eines italienischen Staatenbunds; dafür sollte Piemont Savoyen, die Stammlande der Königsfamilie, und Nizza abtreten. Trotzdem zögerte Napoleon, den Krieg zu beginnen, indessen Cavour schon seit dem Herbst 1858 offen die Armee aufrüstete, italienische Freiwilligenverbände aufstellte, darunter die »Alpenjäger« Garibaldis, und die Società Nazionale zur Vorbereitung von Aufständen hinter den österreichischen Linien aufforderte. Die damit beabsichtigte Provokation gelang: Am 23. April forderte die Wiener Regierung Piemont auf, in drei Tagen mit der Abrüstung seiner Armee zu beginnen und vor allem jene Freiwilligenverbände aufzulösen. Cavour wies das Ultimatum zurück. Ohne schweren Prestigeverlust konnte Napoleon den kriegsentschlossenen Schützling nicht mehr preisgeben, sodass er nun seine Zusage erfüllen musste.Vorfriede von VillafrancaZunächst drang die österreichische Italienarmee in Piemont ein, musste sich aber zurückziehen, als Anfang Mai die Armee Napoleons auf dem Kriegsschauplatz erschien. Nach etlichen Gefechten führte die erste »Monsterschlacht« des Feldzugs bei Magenta am 4. Juni zur Einnahme Mailands, die zweite bei Solferino am 24. Juni zum Einschluss der österreichischen Armee im Festungsviereck Mantua —Peschiera —Verona —Legnano. Wenige Tage später herrschte Waffenstillstand, und schon am 11. Juli schlossen Napoleon III. und Kaiser Franz Joseph den Vorfrieden von Villafranca, welcher Piemont nur die Lombardei bringen sollte. Viktor Emanuel blieb nichts übrig, als diesen Alleingang des Verbündeten hinzunehmen, den dieser mit Rücksicht auf die internationale Situation, aber auch in Anbetracht der unerwarteten Eigendynamik der italienischen Nationalbewegung unternommen hatte. In Mittelitalien wurden die regierenden Fürsten vertrieben, und provisorische Regierungen proklamierten den Anschluss an Piemont. Rückgängig machen ließ sich das nicht mehr, wohl aber durch den Vorfrieden aufhalten. Cavour erfuhr erst nachträglich von der Zustimmung des Königs und erklärte seinen Rücktritt. Ein halbes Jahr versuchte sich Viktor Emanuel an einer Art »persönlichem Regiment« mit schwachen Ministerpräsidenten, aber all die inneren und außenpolitischen Probleme bekam er nicht in den Griff, sodass er Cavour im Januar 1860 erneut berufen musste. Der übernahm zur Ministerpräsidentschaft nun auch Innen- und Außenministerium. Es gelang ihm recht bald, die mittelitalienischen Fragen im Zusammenspiel mit den dortigen liberalen Eliten zu lösen.Garibaldi und die Eroberung des SüdensIm Jahre 1807 wurde Garibaldi in Nizza geboren. 1833 trat er Mazzinis Giovine Italia bei und musste ein Jahr später nach einem Aufstandsversuch aus Piemont fliehen. 1835 wanderte Garibaldi nach Südamerika aus, wo sein zweites Leben begann, das eines Guerillaführers an der Spitze kleiner Verbände italienischer Emigranten im Dienst Uruguays gegen den übermächtigen argentinischen Nachbarn. Als er im Juni 1848 an der Spitze einer »italienischen Legion« in Nizza landete, war sein Name schon bekannt; seine Leistungen in Oberitalien im Sommer 1848 und bei der Verteidigung der Römischen Republik sowie der nachherige »lange Marsch« machten ihn berühmt und zu einem charismatischen Führer der Nationalbewegung. Jetzt und später blieb seine Kriegführung geprägt von jener Guerillaerfahrung, derzufolge im Kampf alles auf Risikobereitschaft, Offensivgeist und Improvisation ankäme. Er war Republikaner, insofern Demokrat, aber vor allem war er Nationalist, bereit, mit dem zusammenzugehen, der die Unabhängigkeit und Einheit der Nation über alles stellte, und nie bereit, wegen parteilicher Dogmen die Einheit der Nationalbewegung und der Nation selbst zu gefährden.Politiker erschienen ihm grundsätzlich suspekt, insbesondere in Kriegszeiten, weshalb er in solchen Situationen eine Diktatur auf Zeit forderte. Das galt besonders für Cavour, als Garibaldi zu der Auffassung kam, dass der Ministerpräsident gar keine vollständige Einheit Italiens wollte, sondern nur ein Großpiemont, und dass er sich als Erfüllungspolitiker gegenüber Napoleon III. an Italien versündigte. Denn Cavour war bereit, die vereinbarte Abtretung Savoyens und Nizzas durchzusetzen, um die französische Zustimmung zum Anschluss der mittelitalienischen Staaten zu sichern. Garibaldi verursachte am 12. April 1860 im Turiner Parlament einen nichts mehr nützenden Aufruhr, um die Preisgabe Nizzas im letzten Augenblick zu verhindern. Danach war das Verhältnis heillos zerrüttet, und Garibaldi hielt sich für verpflichtet, die Sache Italiens durch einen Angriff auf das Königreich beider Sizilien von Süden her bis zur Einnahme Roms durchzufechten.Das Abenteuer begann in der Nacht vom 5. auf den 6. Mai mit der Kaperung zweier Dampfer im Hafen von Genua und mit der Einschiffung der »Tausend«, schlecht bewaffnet und fast ohne sonstige Mittel. Am 11. Mai gelang die Landung im äußersten Westen Siziliens. Vier Tage später schlugen sie eine überlegene Truppe bei Calatafimi und zwangen am 27. Mai den Kommandeur von Palermo zur Kapitulation. In den folgenden Wochen wuchs die Freischar auf 10 000 Mann an, die gegen Ostsizilien vorgingen und erneut denüberlegenen Gegner bei Milazzo am20. Juli schlugen. Garibaldi konnte am19. August über die Straße von Messinasetzen. In Kalabrien brachen Aufständeaus, und der weitere Vormarsch der zuletzt fast 50 000 Mann umfassenden Verbände Garibal-dis glich mehr einem Triumph- als einem Feldzug. Am 7. September ritt er mit ein paar Begleitern in Neapel, der Hauptstadt des Königreichs, ein. Erst danach leistete die Armee Franz' II. ernsthaften Widerstand, aber in der Schlacht am Volturno bewiesen Garibaldi und seine Anhänger, dass sie auch große Schlachten gewinnen konnten. Indessen hatte sich Garibaldi zum Diktator Siziliens ernannt, die Diktatur dann auf Süditalien ausgedehnt. Ihr Zweck war, den nationalrevolutionären Krieg bis zur Eroberung Roms ungestört von Interventionen Cavours fortführen zu können. Er beabsichtigte nie, im Süden eine demokratisch-republikanische Alternative zum piemontesischen Nationalstaatssystem zu entwickeln. Als Diktator, so sah er es selbst, vertrat er Viktor Emanuel, und so zögerte er nicht, am 26. Oktober die Macht dem König zu übergeben.Die Vollendung des italienischen NationalstaatsAls wirkliche Niederlage empfand Garibaldi die Beendigung seines Siegeszuges vor Erreichen des höchsten Zieles: Denn Cavour war zu einer Verständigung mit Napoleon gelangt, welche Piemont erlaubte, Umbrien und die Marken zu annektieren, aber den somit auf Latium verkleinerten päpstlichen Staat garantierte. Wie schmerzlich für Garibaldi dies blieb, bewiesen weitere Anläufe zur Eroberung Roms. Im Herbst 1867, in der Krise Italiens nach dem Krieg von 1866 gegen Österreich, in dem nur Garibaldis Truppe Erfolge, Italien schließlich aber durch den Sieg Preußens über die Österreicher gleichwohl den Gewinn des Veneto hatte verzeichnen können, führten dann neu aufgebotene Freischaren einen Kleinkrieg im Kirchenstaat. In einem Gefecht bei Mentana im November 1867 wurden die Garibaldiner von der französischen Schutztruppe schwer geschlagen. Mentana bedeutete das Ende der aktiven Rolle Garibaldis bei der italienischen Nationalstaatsgründung. Rom fiel 1870 im Zeichen der französischen Niederlage im Deutsch-Französischen Krieg fast widerstandslos an Italien.Erst Garibaldis Aktion von 1860 hat die äußeren Konturen des italienischen Nationalstaats umrissen. Aber sie war nur möglich, weil Cavours Politik den fundamentalen Umbruch der italienischen Verhältnisse im Krieg von 1859 vorbereitet hatte. Insofern verbanden sich 1859/60 in einer weiteren Perspektive die beiden Richtungen der italienischen Nationalbewegung, die demokratisch-revolutionäre und die liberal-reformistische Richtung. Zwar setzte sich Cavours Konzeption italienischer Nationalstaatlichkeit durch. Die Tradition der demokratischen Bewegung ließ sich nach Garibaldis Eroberung des Südens aus der italienischen Geschichte aber nicht mehr wegdenken. Daran erinnerte auch die Titulatur des vom ersten gesamtitalienischen Parlament im Februar 1861 zum König proklamierten Viktor Emanuel: Viktor Emanuel II. — was die piemontesische Kontinuität betonte — »König von Italien durch Gottes Gnade und durch den Willen des Volkes«. Cavour überlebte diesen letzten Triumph nur um wenige Monate. Er starb am 6. Juni 1861.Prof. Dr. Wolfgang AltgeldWeiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:Italien: Entstehung des FaschismusGrundlegende Informationen finden Sie unter:Europa im Vormärz: Um Verfassung und NationEuropa im Revolutionsjahr 1848/49: Bürger auf den BarrikadenGruner, Wolf D.: Italien zwischen Revolution und Nationalstaatsgründung 1789-1861, in: Italien in Geschichte und Gegenwart, herausgegeben von Wolf D. Gruner und Günter Trautmann. Hamburg 1991.Hausmann, Friederike: Garibaldi. Die Geschichte eines Abenteurers, der Italien zur Einheit verhalf. Berlin 1986.Klemensberger, Peter: Die Westmächte und Sardinien während des Krimkrieges. Der Beitritt des Königreiches Sardinien zur britisch-französischen Allianz im Rahmen der europäischen Politik. Zürich 1972.Procacci, Giuliano: Geschichte Italiens und der Italiener. Aus dem Italienischen. Neudruck München 1989.Valsecchi, Franco: Cavour. Ein europäischer Staatsmann. Wiesbaden 1957.
Universal-Lexikon. 2012.